Worin ist meine Kunst politisch?

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Selbstportrait als „Minor Artist“, 2008

Die 7. Berlin Biennale fragt, ob sich Künstler als politisch ansehen. Dazu habe ich folgenden Beitrag eingereicht:

Ich kann nicht politisch sein, ohne die Umstände zu betrachten, die mir erlauben politisch zu werden.

Dazu gehört unabdingbar eine Reflektion auf die Verfasstheit der Kunst innerhalb des Systems Kunst (Kunstbetrieb) sowie meine eigene Stellung als ›Minor Artist‹ darin.

Grundsätzliche Überlegungen sind: Wer darf von Kunst sprechen? Wer ist befugt, über Kunst zu urteilen und zu entscheiden, was als Kunst angesehen, dargestellt und existieren werden darf?

Warum bedarf es moderner (zeitgenössischer) Kunst?

Wieso gibt es überhaupt Künstler und welche Stellung haben sie in der Gesellschaft? Darf man Künstler auslachen? Warum gibt es keinen Künstlerstreik? Warum kann ich die Kunst nicht aufgeben und etwas anderes machen?

Notwendig muss dabei auch die Stellung derer ins Blickfeld geraten, die die Belegschaft des Betriebssystems Kunst ausmachen. Also, Kuratoren, Kritiker, Museumsleute, Kulturpolitiker, Vertreter von Gremien und Stiftungen. Woraus beziehen sie ihre Legitimation?

Mit einer unhinterfragten Reduktion der Kunst auf Produzenten, ihre Werke und ihr Publikum bleibt dieser Personenkreis unsichtbar und von kritischen Reflektionen durch den Künstler ausgenommen und damit Vermittlung als quasinatürlicher Akt einer Inquisition entzogen.

Kunst kann aber nur dann politisch wirken, wenn die Erörterung von „Literatur und Frisur“ (Bourdieu) auch vor der Person des Kurators nicht halt macht.

Mittel, diese Fragen zu bearbeiten sind diskursiver Natur und auf Austausch und Gegenseitigkeit begründet. Ihren Ort finden sie seit fast 20 Jahren fast ausschließlich im Internet (Thing Frankfurt), was für mich mit der Abkehr von abgeschlossenen Werken und dem persönlichen Ende von Ausstellungskunst verbunden ist.

Ansonsten gilt meine politische Neigung dem politischen Liberalismus (nicht dem Wirtschaftsliberalismus).

Wichtige Texte

- Unsere Kunst des 19. Jahrhunderts
- Vom Tod des Kurators
- Eine andere Kunst ist möglich
- Anmerkungen zum Ende der Ausstellungskunst

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- Weitere Texte seit 2014 (Wann ist Kunst ein Misserfolg und andere) im Blog ThingLabs

Was denkst Du? In welcher Weise ist Deine Kunst politisch?
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Etwas Richtiges tun

Michael Lingner schreibt:

Ein zweiter Schritt, etwas Richtiges zu tun, bestünde dann als direkt politisch intendierte Kunstpraxis darin, an der Veränderung der institutionellen Verfassung des Kunstsystems mitzuwirken. Wenn größtmögliche Autonomie als die atmosphärisch und funktional wünschenswerte Qualität des Kunstsystems angesehen wird, ginge es darum, dass KünstlerInnen für ihre eigenen Organisationsformen sich selbst über Regeln verständigen, sie sich setzen und auch anzuwenden bereit sind. Die experimentelle Erprobung solcher Regel-„Werke“ wäre als ein fundamentaler Aspekt künstlerischer Praxis zu begreifen und könnte eine Alternative zu den kommerzialisierten institutionellen Rahmenbedingungen von Kunst schaffen.

https://ask23.de/resource/ml_publikationen/kt07-2

(Auch im Sammelband Wir sind woanders #1, Hamburg 2007, enthalten.)