Mit feiner Ironie
Frankfurts mitunter versteckte "Off-Kulturprojekte" sind durch The Thing von Außen schnell zugänglich und nachvollziehbar.
Als wir 2000 ein Forschungsprojekt zur Raumproduktion und der Situation von neuen Kulturprojekten in Frankfurt begannen, stießen wir daher schnell auf diesen medialen Wegweiser durch die granitbesetzte Finanzkapitale. Die Website stellte sich uns dar als wunderbares Archiv selbstorganisierter Ausstellungsräume, Clubs, Kunstprojekte usw. Genau mit diesen Leuten wollten wir sprechen und haben sie über TT gefunden. Danke!
Beim näheren Hinsehen – sprich längeren Surfen – aber, wurde deutlich, dass The Thing weit mehr ist als nur ein Off-Kultur-Stadtführer Frankfurts. Es ist tatsächlich, was es sein will und das seit 12 (!) Jahren: eine elektronische Plattform, die unabhängigen Kulturproduzenten eine Vernetzungs- und Diskursmöglichkeit bietet.
Hinter TT steht Stefan Beck, der mal mit feiner Ironie und oft mit scharfem Sarkasmus die städtischen Entwicklungen Frankfurts kommentiert. Vermutlich ist es eine Art Hassliebe, die ihn mit Frankfurt verbindet. Die Reibung mit der Stadt, die es Künstlern nicht leicht macht, scheint eine Quelle seiner Kreativität zu sein.
O-Ton Beck:
Ich werde oft von Freunden gefragt: Warum bist du eigentlich immer noch in Frankfurt? Das ist doch keine Kunststadt. Es gibt keine Galerien, keine kulturellen Aktivitäten und nichts als Bankentürme und Geschäftszentren.
Aber genau das gefällt mir an Frankfurt. Die Abwesenheit echter Kunst zeigt mir, dass dies der Ort der wahren Macht ist. Berlin im Gegensatz dazu wird immer als Kunststadt mit vielen Künstlern dargestellt ('viel Atmosphäre', 'das Gegenteil von Frankfurt'). Aber diese Art von Atmosphäre ist nichts als Fake. Die lassen dort Kunst gedeihen, weil sie niemandem weh tut, die echte Macht aber ist woanders. In Frankfurt fühlen sich die Leute wirklich bedroht durch Kunst. Deshalb geraten Banken und Polizei gleichermaßen in Panik.
Weil Kunst verloren ist in dieser Stadt, ist es für mich der einzige Ort, an dem Kunst wirklich existieren kann.
Ach ja, und dann ist da noch Adorno, der auf der Seite immer wieder auf gefakten Werbebannern, auf Flyern oder in Diskos auftaucht. Der lebte ja bekanntlich auch lange Zeit seines Lebens in Frankfurt. Von ihm hat Beck seine Sperrigkeit. Und von der braucht Frankfurt mehr denn je.
Bastian Lange, Bauhaus Dessau (für Thing Book 2004)
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